Von Bach ins Archiv

Sammlungsgeschichten jenseits der Musik

Bach-Archiv
Ein Brief von C.P.E. Bach im Besitz eines Zuckerfabrikanten aus Miami Beach – Zum Tag der Provenienzforschung am 14. April 2021

Carl Philipp Emanuel Bachs Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen ist das bedeutendste Lehrwerk zur Klavierpraxis des 18. Jahrhunderts. Er hatte es 1753 im Selbstverlag veröffentlicht, doch noch Ende des Jahrhunderts war es eine der beliebtesten Klavierschulen seiner Zeit. In einem Brief vom 4. August 1786 verhandelt Bach mit dem Leipziger Verleger Engelhard Benjamin Schwickert Details zu einer Neuauflage des Werkes.

 

   

Zur Ansicht des Briefes in den Digitalen Sammlungen des Bach-Archivs

 

Das Bach-Archiv hat das zweiseitige autographe Schreiben im Januar 2020 bei dem New Yorker Antiquariat J & J Lubrano erworben. In den über 230 Jahren nach seiner Zustellung wanderte der Brief mit seinen jeweiligen Besitzern von Leipzig über Berlin und Wien nach New York und zuletzt nach Miami Beach. Dort war er Teil der »John and Johanna Bass Collection«. Das aus Wien stammende jüdische Ehepaar John und Johanna Bass hatte seine bedeutende private Kunstsammlung im Jahr 1963 der Stadt Miami Beach unter der Auflage gestiftet, diese in einem Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In der Folge entstand in Florida das 1964 eröffnete Bass Art Museum (https://thebass.org).

 

Der erfolgreiche Kaufmann John Bass kam 1914 über Paris nach New York und stieß 1925 zu der in Puerto Rico ansässigen Fajardo Sugar Company, in deren Hierarchie er bis zum Präsidenten aufstieg. Das Ehepaar Bass hatte den Brief Bachs im Jahr 1934 auf einer Auktion  der Firma Artaria & Co in Wien ersteigert, in der der Nachlass von Alfred Freiherr von Liebieg (1854–1930) veräußert wurde. Vermutlich gab es persönliche oder geschäftliche Beziehungen des Ehepaars Bass zur Familie Liebieg: Alfred von Liebieg wirkte in Wien als Zuckerindustrieller und war somit in derselben Branche tätig wie Bass in New York. Alfred von Liebieg hatte den C.P.E. Bach-Brief vermutlich im Jahr 1901 auf einer Auktion des Berliner Antiquariats Leo Liepmannssohn erworben. Möglicherweise war der Brief zuvor – wie auch ein anderer Brief C.P.E. Bachs an Schwickert – Teil der seinerzeit berühmten Briefsammlung von Alfred Bovet (1841–1900). Die weitere Provenienz im 19. Jahrhundert nach dem Tod von Schwickert im Jahr 1825 und vor einem möglichen Erwerb durch Bovet ist unklar.

 

Literatur:

  • Artaria & Co.: Musiker-Autographen und Musiker-Bildnisse. Sammlung der Baronin Therese Liebieg. Versteigerung im Rahmen der Kunst- und Wohnungsauktion. Nachlass Liebieg, Wien 22. März 1934, Nr. 608 (https://doi.org/10.11588/diglit.11597#0003)
  • A Museum for Miami Beach. Huge Collection of Art Among Objects to Go On Exhibit Tuesday, in: The New York Times, 5. April 1964, Sektion XX, S. 3 (https://www.nytimes.com/1964/04/05/archives/a-museum-for-miami-beach-hug...)
  • Rudolph Angermüller, Carl Philipp Emanuel Bachiana. Briefe, die bei Ernst Suchalla nicht veröffentlicht wurden, in: Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz 1985/86, Berlin, 1989, S. 9–168, Nr. 102
  • Ernst Suchalla, Carl Philipp Emanuel Bach. Briefe und Dokumente. Kritische Gesamtausgabe, 2 Bde., Göttingen 1994, Nr. 541 (Bd. 2, S. 1171)
  • Stephen L. Clark, The letters of C. P. E. Bach, Oxford 1997, Nr. 295

 

In Kooperation mit dem Arbeitskreis Provenienzforschung e. V.

Weiterer Beitrag:

Die Geschichte von zwei Exponaten im Bach-Museum Leipzig – Zum Tag der Provenienzforschung am 8. April 2020

Johann Sebastian Bachs musikalischer Nachlass ist heute über die ganze Welt verstreut, während sich aus seinem privaten Besitz kaum Gegenstände erhalten haben. Die Erforschung der vielfältigen Überlieferungswege seiner Musikhandschriften und der wenigen auf uns gekommenen Objekte aus seinem Haushalt ist daher umso wichtiger, um zu verstehen, wo auch heute noch unentdeckte Zeugnisse seines Wirkens zu finden sein können. Zum 2. Tag der Provenienzforschung am 8. April 2020 möchten wir deshalb zwei Sammlungsstücke präsentieren, die den Komponisten auch jenseits seines kompositorischen Schaffens für uns greifbar machen.

 

Abbildung 1 (Rechte: Dommuseum Meißen, Foto: Amira Al-Dahoodi-Kauschke)

 

Ein aufmerksamer Besucher des Dommuseums Meißen hatte sich 2009 an das Bach-Archiv Leipzig gewandt. Im Foyer des Museums war ihm eine Geldkiste aufgefallen, die auf dem Innendeckel eine barocke Malerei zeigt, bei der es sich um das bekrönte Spiegelmonogramm von Johann Sebastian Bach handelt. Dieses Monogramm besteht aus den symmetrisch gespiegelten Buchstaben JSB, die sich kalligraphisch ineinander verflechten. Bach verwendete dieses Motiv seit spätestens 1722 als Briefsiegel; es findet sich beispielsweise auf seinem provisorischen Anstellungsvertrag zur Übernahme des Thomaskantorats vom 19. April 1723.

Über Bachs Nachlassverzeichnis vom Herbst 1750 lässt sich die Geldkiste aus Meißen als ein sogenannter »Putz Schrank« identifizieren, der unter anderem der Aufbewahrung von »Schmuck oder Weiber-Putz« diente. Auch der komplizierte, mit elf Riegeln versehene Schließmechanismus und die massive Beschaffenheit der Truhe deuten darauf hin, dass sie insbesondere der Aufbewahrung von Wertsachen gedient hat.
Wie die Truhe nach Meißen gelangt ist, konnte bisher noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Gerade unter den Mitgliedern der Leipziger Theologischen Fakultät finden sich aber mehrere Meißner Domherren, die für die Vermittlung infrage kommen; darunter auch der Thomasschulrektor Johann August Ernesti.

Seit 2010 ist das Möbelstück aus Bachs einstigem Besitz als Dauerleihgabe des Dommuseums Meißens im Bach-Museum Leipzig ausgestellt.

 

Abbildung 2 (Rechte: Bach-Archiv Leipzig, Foto: Jens Volz)

 

In Bachs Nachlassverzeichnis findet sich neben Gegenständen des häuslichen Alltags auch seine stattliche Bibliothek verzeichnet. Er hatte ein ausgeprägtes Interesse an antiquarischen Büchern, die er auf den universitären Bücherauktionen erwarb. Dazu zählte auch eine prachtvoll illustrierte Ausgabe einer Merian-Bibel, die 1704 in Frankfurt am Main erschienen war. Ein Privatsammler wurde im Sommer 2010 bei einem Onlineauktionshaus auf dieses Buch aufmerksam, da es auf der Titelseite einen bemerkenswerten Besitzvermerk trägt: »ISBach. | 1744.« Die verschlungenen, mehrstöckig angeordneten Initialen entsprechen den Schriftzügen, die auch aus weiteren Besitzvermerken von Exemplaren aus Bachs Bibliothek bekannt sind, so dass an deren Echtheit kein Zweifel besteht.

 

Abbildung 3 (Privatbesitz, Foto: Bach-Archiv Leipzig)

 

Verkauft wurde der Band von einem amerikanischen Händler. In die Neue  Welt gelangte die Bibel vielleicht sogar schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert. Damals befand sich das Buch im Besitz des Geraer Theologen und Missionars Johann Christoph Günther, der zuvor an der Universität Leipzig studiert hatte und seinen Namen 1779 auf der Rückseite des Titelblatts in die Bibel eintrug. Seine Missionsreisen führten ihn nach China, nach Jerusalem und bis in die Neue Welt. Nachdem er von einer seiner Reisen nie zurückgekehrt war, wurde er 1796 offiziell für tot erklärt. Teile seiner Bibliothek gingen danach an seine Neffen – in der damals angefertigten Übergabeliste findet sich von der Merian-Bibel allerdings keine Spur.
Auch dieses Stück aus Bachs Besitz befindet sich heute als Dauerleihgabe im Bach-Archiv und wird regelmäßig in der Schatzkammer des Bach-Museums gezeigt.

 

Abbildung 3 (Privatbesitz, Foto: Bach-Archiv Leipzig)

 

Alltagsgegenstände und Bücher aus früheren Jahrhunderten ihren einstigen Besitzern zuzuordnen ist nur über eindeutige Provenienzmerkmale möglich, wie sie sich in Form von Exlibris oder autographen Besitzvermerken in Büchern und Handschriften finden oder in seltenen Fällen sogar auf wertvollen Gebrauchsgegenständen angebracht wurden. Die beiden Beispiele zeigen aber auch, dass es bei der Identifizierung und Zuordnung dieser Merkmale immer eines besonders wachsamen Auges und eines Quäntchens Finderglücks bedarf.

 

Literatur:

  • Ulf Wellner, Ein unbekanntes Möbelstück aus dem Besitz Johann Sebastian Bachs, in: Bach-Jahrbuch 95 (2009), S. 214–225 (Online verfügbar: https://doi.org/10.13141/bjb.v20091868)
  • Peter Wollny, Fundstücke zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs 1744–1750, in: Bach-Jahrbuch 97 (2011), S. 35–50, speziell S. 35–39 (Online verfügbar: https://doi.org/10.13141/bjb.v20111227)

 

In Kooperation mit dem Arbeitskreis Provenienzforschung e. V.

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