Auf Winterreise von Wien nach Leipzig

Drei Fragen an Daniel Johannsen

Foto: Rudi Gigler

 

Beim Leipziger Bachfest präsentieren Sie eine »Winterreise von Wien nach Leipzig« mit Werken von Johann Sebastian Bach und Franz Schubert. Wie kam es zu dieser Programmidee?

Bach und Schubert sind die beiden Seiten meiner Medaille (und das dünne Edelmetall dazwischen ist Mozart) – insofern lag es auf der Hand, existenziell große Stücke dieser zwei existenziell großen Komponisten dialogisierend zusammenzuführen. Eis, Schnee und Kälte kommen in Bachs Arientexten wohl kaum jemals vor; aber die existenzielle Bedrohtheit (und oft auch Verlassenheit), das Angefochtensein des Menschen findet sich da reichlich. Und um all das geht es in Wilhelm Müllers stets aktuellen Gedichten auch. Besonders freut mich, dass Michael Maul diese Idee unabhängig von mir gehabt zu haben scheint!

Weiß man, ob Schubert ein Bach-Verehrer war – welche Bach-Werke hat er kennen können?

Das »Wohltemperierte Klavier« lieh er sich zwecks eingehender Studien mehrfach von seinem Bruder Ferdinand aus. Durch die Bekanntschaft mit dem Alte-Musik-begeisterten Handschriftensammler Georg Kiesewetter konnte der große Wiener noch einige andere Werke des großen Leipzigers kennenlernen (etwa das Magnificat). Man höre sich nur die Fuge in e-Moll an, D 952. Sie entstand wenige Wochen vor den Rellstab-, Heine- und Seidl-Liedern (denen der Verleger posthum den werbewirksamen Titel »Schwanengesang« gab): Mehr »Kunst-der-Fuge«-Evokation ist kaum denkbar!

Die Schubert-Lieder werden von einem Streichquartett begleitet. Warum haben Sie sich für dieses Arrangement und nicht für die originale Klavierbegleitung entschieden?

Thomas Koslowsky, der Bratschist des Atalante-Quartetts, hat mir 2021 seine eigene Streicherbearbeitung »Winterreise« angetragen. Hier wandle ich nun ganz auf Peter Schreiers Spuren, der mit Jens Josefs Version der »Winterreise« 2005 seine letzte CD vorlegte. Lieder wie »Das Wirtshaus« oder »Die Nebensonnen« schreien förmlich nach der polyphonen Darstellung mittels Instrumentalensemble. Ja, und zu fünft (bzw. mit Trompete zu sechst) hat man gleich noch mehr Freude auf dem Podium!

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